Gebrauchte Hörgeräte kaufen?

Der Reiz des Gebrauchtkaufs

Immer wieder tauchen gebrauchte Hörgeräte auf Onlineplattformen wie eBay oder Kleinanzeigen auf – meist zu einem Bruchteil des Neupreises. Für viele klingt das verlockend: Ein technisch hochwertiges Gerät, kaum benutzt und scheinbar voll funktionsfähig.

Doch der Preisvorteil ist trügerisch. Denn was nach einer cleveren Sparidee aussieht, kann schnell zu Frust, Fehlanpassungen oder sogar gesundheitlichen Problemen führen.

Hörgeräte sind keine Standardprodukte

Ein Hörgerät ist kein Produkt „von der Stange“. Jedes Gerät wird individuell auf das Gehör einer bestimmten Person angepasst – mit exakt abgestimmten Verstärkungskurven, passgenauen Otoplastiken und Softwareeinstellungen, die auf den persönlichen Hörverlust, das Sprachverständnis und die Hörumgebung abgestimmt sind.

Ein Hörgerät, das auf die Hörkurve von Herrn Müller eingestellt wurde, kann bei Frau Schmidt völlig andere – und möglicherweise schädliche – Wirkungen haben. Selbst zwei Menschen mit ähnlichen Hörverlustwerten hören in der Praxis unterschiedlich, da jeder Mensch Geräusche anders verarbeitet.

Kurz gesagt: Ein Hörgerät passt nur zu dem Ohr, für das es ursprünglich eingestellt wurde.

Risiken beim Gebrauchtkauf

Falsche Verstärkung

Ein Hörgerät ohne fachgerechte Anpassung kann das Gehör über- oder unterfordern. Zu starke Verstärkung kann langfristig Hörzellen schädigen, zu schwache führt zu Frustration und Kommunikationsproblemen.

Hygieneprobleme

Hörgeräte kommen täglich mit Schweiß, Haut und Ohrenschmalz in Kontakt. Selbst gründlich gereinigt bleibt oft eine mikroskopische Belastung zurück, die zu Entzündungen oder Reizungen führen kann – besonders bei In-Ohr-Geräten.

Technische Unsicherheit

Bei älteren Modellen ist oft unklar, ob Ersatzteile oder Software-Updates verfügbar sind. Manche Hersteller sperren den Service für Geräte, die aus zweiter Hand stammen. Ein Reparaturversuch kann dann teuer oder gar unmöglich werden.

Fehlende Gewährleistung

Privatverkäufe bieten weder Garantie noch Nachbetreuung. Sollte das Gerät defekt sein, trägt der Käufer sämtliche Folgekosten selbst.

Datenschutz

Moderne Hörgeräte speichern Nutzungsdaten, Bluetooth-Verbindungen und individuelle Anpasswerte. Ohne vollständiges Zurücksetzen könnten persönliche Informationen des Vorbesitzers ungewollt weitergegeben werden.

Rechtliche Lage

Hörgeräte gelten als aktive Medizinprodukte. Das bedeutet: Sie unterliegen strengen gesetzlichen Bestimmungen. Nach dem ehemaligen Medizinproduktegesetz (MPG) bzw. der aktuellen EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) dürfen Hörgeräte nicht ohne fachgerechte Aufbereitung und Sicherheitsprüfung weitergegeben oder verkauft werden.

Ein privater Gebrauchtverkauf verstößt somit gegen geltendes Recht. Auch Hörakustiker, die solche Geräte annehmen oder einstellen, tragen die Verantwortung für deren Sicherheit – was ohne lückenlose Dokumentation nicht gewährleistet werden kann.

Fazit: Der private Weiterverkauf von Hörgeräten ist rechtlich unzulässig und fachlich unverantwortlich.

Alternativen zum Gebrauchtkauf

  • Testgeräte vom Akustiker: Vorführgeräte oder Auslaufmodelle zu reduzierten Preisen – inklusive Garantie und Anpassung.
  • Professionell überarbeitete Gebrauchtgeräte: Fachbetriebe bereiten Geräte medizinisch auf, prüfen sie technisch und verkaufen sie mit Garantie.
  • Zuschüsse der Krankenkassen: Moderne Basisgeräte sind heute digital, komfortabel und oft ohne Zuzahlung erhältlich.
  • Soziale Programme: Hilfsorganisationen oder Stiftungen unterstützen Menschen mit begrenztem Budget.

So bleibt das Hören sicher, individuell angepasst – und trotzdem bezahlbar.

Fazit

Ein Hörgerät ist kein beliebiges technisches Produkt, sondern ein präzises Medizinprodukt, das individuell programmiert und regelmäßig betreut werden muss. Gebrauchte Geräte mögen auf den ersten Blick günstig erscheinen, doch sie bergen Risiken, rechtliche Unsicherheiten und bieten keinen Service.

Gebraucht ist nicht gleich günstig – besonders, wenn es um Ihr Gehör geht.